Flash abspielen
Der Tod in Baltimore

Der Tod in Baltimore
VARIANTE 2
von Lilith

Kapitelübersicht:

Kapitel 1: Präliminarien
Kapitel 2: Die Seele des Mörders
Kapitel 3: Interferenzen
Kapitel 4: Immer die Beste
Kapitel 5: Der Luftzug der Macht
Kapitel 6: Im Spiegel
Kapitel 7: Vergügungen

Kapitelübersicht Variante 2:

Kapitel 8: Ein unmoralisches Angebot
Kapitel 9: Die Schlange im Paradies
Kapitel 10: Sonnenuntergang
Epilog

Epilog

Es war ein kalter und windiger Herbsttag und dennoch hatte sich Clarice Starling dazu entschlossen, sich für eine kleine Weile auf einer Bank auszuruhen, die bequemerweise gerade entlang ihres Weges gestanden war. Es war einer jener Herbsttage, die sich noch nicht ganz vom Sommer verabschiedet hatten, die aber dennoch bereits eine deutliche Ahnung des kommenden Winters in sich trugen.

Ein Tag, der die melancholische Stimmung wiederzuspiegeln schien, die sie in ihrem Inneren empfand, und an dem sie noch einmal all jene Ereignisse in ihrem Geist aufrollte, die sie unweigerlich an den Ort geführt hatten, an dem sie sich nun befand. Ein Tag, an dem sie noch einmal alle inneren Bilder und Eindrücke Revue passieren ließ, die ihre Gedanken in den letzten Wochen und Monaten so beschäftigt hatten.

Der Tag, an dem Hannibal Lecter das Flugzeug bestieg, das ihn zunächst nach London und danach in etliche Hauptstädte Europas bringen würde, war auch der Tag gewesen, an dem Clarice Starling völlig unerwartet einen Bescheid erhalten hatte, der sie trotz der allgemein bekannten Schwierigkeiten, die mit einer Aufnahme an der Academy verbunden waren, zu einer der wenigen Personen machte, die im darauf folgenden Herbst zugelassen worden waren. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie ihr Studium bis dahin mit ausgezeichneten Noten abgeschlossen hatte.

Es gab natürlich keinen Zweifel daran, wem sie diese bevorzugte Behandlung zu verdanken hatte. Und natürlich hatte sie aus genau diesem Grund im allerersten Moment daran gedacht, diese Bevorzugung zurückzuweisen. Zu ihrem eigenen Erstaunen erwies sich ihr Ehrgeiz nach dem ersten Aufschwang der Gefühle allerdings als stark genug, um dieses Geschenk anzunehmen, auch wenn diese letzte Geste ihres ersten Liebhabers einen leicht schalen Geschmack in ihrem Mund hinterließ.

Aber Verlust war ein bitteres Gefühl, das Clarice Starling in ihrem jungen Leben bereits einige Male zu kosten bekommen hatte. Deshalb ließ sie in der tröstlichen Abgeschiedenheit ihres kleinen Zimmers im Studentenheim ihrem Schmerz einfach freien Lauf. Es war kein hysterischer Ausbruch gewesen, aber ungewöhnlich genug - hatte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten können. Sie waren einfach über ihre Wangen gelaufen und auf ihre Arme und Beine getropft, die so schwach waren, als würden sie gar nicht zu ihrem Körper gehören. Sie hatte nicht einmal die Kraft gehabt, sie wegzuwischen.

Schließlich war sie vor Erschöpfung eingeschlafen und als sie am nächsten Morgen wieder aufgewacht war, hatte die Realistin in ihr wieder die Oberhand gewonnen. Immerhin hatte sie ein Ziel im Leben und sie war hart genug zu sich selber, um nicht allzu lange über eine Episode ihres Lebens zu klagen, die sie in ihrem eigenen Interesse als abgeschlossen betrachten musste.

Die darauf folgenden Wochen - angefüllt mit Studien und Prüfungen - taten ein Übriges, um sie daran zu hindern, sich erneut ihren Erinnerungen und damit weiteren überflüssigen Gefühlsausbrüchen stellen zu müssen.

Erinnerungen, die erstaunlicherweise immer noch das herbe Gefühl des Verlustes in sich trugen, wie sie erst am heutigen Morgen wieder schmerzlich feststellen musste, als ihr vollkommen überraschend ein Brief zugestellt worden war. Der Brief hatte keinen Absender gehabt, aber sie hatte die vertraute, gestochen scharfe Handschrift sofort wiedererkannt. Eine Schrift, die sie niemals wieder vergessen würde, auch wenn sie von einem Mann stammte, der nun kaum mehr als eine abgeschlossene Episode in ihrem Leben war.

Sie griff in ihre Manteltasche, nahm den gefalteten Briefbogen heraus und faltete ihn auf.

 

Liebe Clarice,

Nun, hast du es geschafft, deinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen?

Welch eigenartige Frage, nicht wahr, meine liebe Clarice? Natürlich hast du es geschafft, lass mich daher die Frage noch einmal formulieren,

Wie fühlst du dich, nun, da du es geschafft hast, allen Widrigkeiten zum Trotz und auch trotz des Gefühls, dass ich mit meinen Beziehungen dazu beigetragen habe, dir dieses Ziel zu ermöglichen?

Urteile nicht allzu streng über dich selbst, Clarice. Meine Mitwirkung an dieser Leistung war bestenfalls marginal und sollte auch keinesfalls als Abwertung deiner Persönlichkeit verstanden werden. Du hättest deinen Weg in jedem Fall gemacht, auch ohne meine Hilfe. Sagen wir einfach, ich habe die Dinge ein wenig beschleunigt, in unser beider Interesse.

Ich stelle dich mir vor, wie du vor den Toren des FBI-Gebäudes in Quantico stehst, an einem strengen Herbsttag. Der eiskalte Wind treibt die Blätter um deine Beine und lässt die Haut deines Gesichts erröten.

Ein neues Leben, Clarice, das ist es, was dich dahinter erwartet. Ob du mit deiner Wahl zufrieden sein wirst? Wer kann das sagen, allein die Zeit wird es weisen.

Ich habe nicht die Absicht dir zu verraten, wo ich mich gerade aufhalte, aber lass dir versichern, es ist wundervoll. Ich sitze gerade auf meiner Terrasse, einen sternenklaren Nachthimmel über mir und ich kann Orion sehen, der gerade über dem Horizont steht.

Auch wenn uns das Leben auf verschiedene Wege geführt hat, manche unserer Sterne sind dieselben. Zweifle niemals daran, Clarice.

Hannibal Lecter

 

Mit einer gewissen Traurigkeit stellte sie fest, dass der Schmerz in ihrer Brust noch da war. Zwar nicht mehr so scharf und schneidend wie noch Wochen zuvor, aber immer noch deutlich genug.

Er würde vergehen. Die Zeit würde schon dafür sorgen und würde dem leider viel zu kurze Intermezzo mit Hannibal Lecter genau den Status in ihrer Erinnerung zuweisen, das ihm zukam. Dem einer schönen Erinnerung.

Andere Männer würde folgen.

Ein neues Leben wartete auf sie, alles, was sie tun musste war, es auch zu ergreifen.

Clarice Starling lächelte, faltete den Brief zusammen und warf ihn dann in eine Mülltonne neben ihrer Bank. Sie blickte nicht ein einziges Mal zurück, als sie mit großen Schritten auf die Eingangstore des großen Gebäudes vor sich zuging.

Sie war in Quantico. Das war das einzige, was im Moment zählte.

Alles weitere würde sich schon finden.

ENDE

© 2003 by Lilith

Ein Sequel zu "Der Tod in Baltimore" (Variante 2) ist in Vorbereitung.

H I N W E I S :
Diese Fanfiction dient zur Unterhaltung und ist ohne jedes finanzielles Interesse.
Verantwortung und Copyright verbleiben bei den jeweiligen Autoren.

Die Figuren aus den Romanen Red Dragon, The Silence of the Lambs und Hannibal gehören Thomas Harris.
Keine Verletzung von Urheberrechten ist beabsichtigt.

© HopkinsVille. All rights reserved.
www.hopkinsville.de

Kapitelübersicht:

Kapitel 1: Präliminarien
Kapitel 2: Die Seele des Mörders
Kapitel 3: Interferenzen
Kapitel 4: Immer die Beste
Kapitel 5: Der Luftzug der Macht
Kapitel 6: Im Spiegel
Kapitel 7: Vergügungen

Kapitelübersicht Variante 2:

Kapitel 8: Ein unmoralisches Angebot
Kapitel 9: Die Schlange im Paradies
Kapitel 10: Sonnenuntergang
Epilog